1963 – was für ein Jahr! Alles war in Bewegung. Die Boeing 727 hob ab zu ihrem ersten Flug, und der Porsche 911 begab sich auf seine Jungfernfahrt. Die Fußballbundesliga begann ihren Spielbetrieb, und das ZDF ging auf Sendung. Der Kassettenrekorder wurde ebenso erfunden wie das Übertragungsverfahren PAL, das Farbfernsehen erst möglich machte. Martin Luther King rief aus „I have a dream“, und zwei 22-Jährige verwirklichten ihren Traum: John Lennon (und den Beatles) gelang mit „She loves you“ im Sommer 1963 der Durchbruch; zur gleichen Zeit durfte der Geselle Rainer Bohlen dank einer Ausnahmegenehmigung einen Schlosserbetrieb in Hupperath (bei Wittlich) übernehmen. Die benötigten Bohr- und Schweißgeräte sowie einen gebrauchten Kombi aus den 50er Jahren (Opel Olympia Rekord Caravan) bezahlte er mit jenem Geld, das er in fünf Jahren Gesellenzeit angespart hatte.
Tagsüber war genug zu tun. Im Alleingang stellte er Gerätschaften für Landwirte her und führte Reparaturen und Klempnerarbeiten durch. Abends paukte er für die Meisterprüfung. Bereits hier zeigten sich Wesenszüge, die bis heute für das Unternehmen Bohlen prägend sind. Handwerkliches Geschick und Fleiß ermöglichten es Rainer Bohlen, in nicht mal zwei Jahren zwei Meisterprüfungen abzulegen und den ersten Lehrling und Gesellen einzustellen.
Es kam aber noch etwas Entscheidendes hinzu. Wer als 24-Jähriger den Grundstein für eine eigene Fertigungshalle legt (im Industriegebiet Speicher), braucht eine gehörige Portion Mut und Vertrauen in die Zukunft. Beides hatte Rainer Bohlen. Assistiert von seiner unermüdlichen Frau Marlies, die im Büro den Überblick behielt, entwickelte sich die Firma rasant. Bereits neun Jahre später, 1972, war aus dem Ein-Mann-Betrieb ein Stahlbauunternehmen mit 35 Mitarbeitern geworden.
Mit den Maschinen und der Belegschaft wuchs auch die Größe der Aufträge. Hatte man anfangs überwiegend Treppengeländer, Haustüren und Leichtmetallfenster hergestellt, produzierte man in den 80ern bereits Großbauteile wie Flugzeughallentore mit einem Gesamtgewicht von 200 Tonnen. Möglich war dies nur, weil man stetig in modernste Hightech investierte. In den 70er Jahren – einer Zeit, in der viele nicht gewusst hätten, wie man das Wort „Computer“ buchstabiert – setzte Bohlen bereits eine computergesteuerte Abkantpresse ein.
In den 80ern ging man dann noch einen Schritt weiter, um genau zu sein: 90 Meter weiter. So lang nämlich war die rechnergesteuerte Strahl-Säge-Bohr-Straße. Zum Glück hatte man schon 1979 eine weitere Fertigungshalle gebaut, die im Lauf der Jahre auf 4.300 Quadratmeter anwuchs. So war genug Platz für die riesigen Maschinen, die nach und nach die Halle füllten.
Dieses langfristige, zukunftsgerichtete Denken – heute schon einplanen, was morgen sinnvoll sein könnte – ist charakteristisch für das Unternehmen Bohlen. Als im November 1989 die Mauer fiel, zog es viele Firmen in den Osten, die dort die schnelle Mark machen wollten und bitteres Lehrgeld zahlen mussten. Rainer Bohlen hingegen schaute gen Westen, nach Luxemburg. Das Großherzogtum boomte, und mit der Fertigstellung der Autobahn von Luxemburg-Stadt nach Trier würde es weiter boomen. Was lag also näher als dort eine Schwesterfirma aufzubauen!
Als Standort wählte man später Echternach, die älteste Stadt des Großherzogtums. Dies hatte praktische Gründe – mit nur 32 Kilometer Entfernung liegt kein Luxemburger Ort näher am Firmensitz Speicher –, aber auch private. Es war Großvater Jakob Bohlen, der nach dem Krieg entschlossen mithalf, die Basilika St. Willibrord wiederaufzubauen. Als gläubigem Katholiken war es ihm wichtig, seinen Beitrag zur Rekonstruktion der Basilika zu leisten. Seitdem gab es persönliche Bindungen zu Echternach.
1992 war es dann soweit. Bohlen eröffnete im Großherzogtum eine S.à.r.l. (die Luxemburger Entsprechung der deutschen GmbH). Neben einem Büro besaß man dort von Anfang an auch Monteure. So konnten Luxemburger Kunden schneller als von Speicher aus bedient und betreut werden. Peu à peu gewann der Standort an Bedeutung. Die Nachfrage wuchs. Die Zahl der großen Projekte nahm stetig zu. Und 2013 wagte Bohlen den Sprung nach vorn. Man baute in Echternach eine eigene Produktionsstätte.
Seitdem gründet das Geschäft der Bohlen-Gruppe auf zwei gleich starken Säulen, der BOHLEN AG in Speicher und der Bohlen Constructions Métalliques BCM S.à.r.l. in Echternach. Gemeinsam hat man sich nicht nur in der Großregion einen Namen im Stahl- und Metallbau gemacht. Für Industrie, Behörden und Firmen realisiert man anspruchsvolle Projekte mit Stahl- und Glasfassaden. Man hatte bereits Kunden in den USA, Italien, Dänemark, Niederlande und Thailand. Zu den Geschäftspartnern zählen die NATO und die Bundeswehr.
Zugleich hat das Unternehmen nie seine Wurzeln vergessen. Hans-Peter Bohlen, der seit 2021 alleiniger Inhaber der Bohlen Gruppe ist und gemeinsam mit Jürgen Dietzen die Geschäftsführung bildet, ist sich des familiären Erbes bewusst. Wie 1963, als sein Vater die Firma gründete, bietet man noch immer Schlosserarbeiten an. Mit Tradition in die Zukunft – dieser Weg hat sich in 90 Jahren Bohlen (60 Jahre in Deutschland, 30 Jahre in Luxemburg) bewährt. Erfolgreich hat man die Stürme der Zeit gemeistert. Das ist das Verdienst der 70 Mitarbeiter, die stets an einem Strang zogen. Wenn Hans-Peter Bohlen heute, im Jubiläumsjahr, auf die Vergangenheit zurückblickt, fällt als Erstes dieser Satz: „Ich bin dankbar.“